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Skalp is weg

von Andre­as Krenz­ke aka Spi­der

“Skalp is weg.” Frü­her wur­de ich am Tele­fon von mei­nem Vater mit “Wo bistn Du?” begrüßt, mitt­ler­wei­le sagt er immer häu­fi­ger “Skalp is weg”. Kei­ne Ahnung war­um Skalp, er ist in den 50ern mit Cow­boy- und India­ner­fil­men auf­ge­wach­sen, viel­leicht des­halb. Er meint aber Sky­pe. Das ist ein Com­pu­ter­pro­gramm mit dem man Bild­te­le­fo­nie durch­füh­ren kann. Ich habe es mei­nen Eltern instal­liert, damit sie mit den Ver­wand­ten im Aus­land tele­fo­nie­ren kön­nen, denn Sky­pe kos­tet nichts. Also, kos­tet kein Geld. Ich bezah­le mit mei­nen Ner­ven. Irgend­wie müs­sen die Ent­wick­ler es geschafft haben, statt von mei­nem Geld von mei­nen Ner­ven ihre Bröt­chen zu kau­fen. Wie die gesam­te Com­pu­ter­bran­che. Ob das wirk­lich das bes­se­re Geschäfts­mo­dell ist, wer weiß? Wäre es bes­ser, wenn zum Bei­spiel mein Ver­mie­ter so kas­sie­ren wür­de? Da muss ich noch drü­ber nachdenken.
“Skalp is weg.” “Was hast Du denn gemacht?” “Nichts. Ick hab nichts gemacht.” “Glaub ich nicht.” “Wenn icks Dir sage. Hier steht immer: Anmel­den.” “Na dann mel­de Dich doch an.” “Na wie denn?” “Was steht denn Da?” “Weeß ick nich.” “Lies doch mal vor!” “War­te mal, muss ick erst mal meene Bril­le suchen. So hier steht: Anmel­den, mit dem Skalp- oder Mikro­soft-Kon­to. Mein Kon­to is doch bei­de Spar­kas­se.” “Wei­ter, wei­ter!” “Denn steht da Krenz­ke.” “Das ist der Benut­zer­na­me.” “Der heißt ja wie ick.” “Das bist ja auch Du.” “Icke?” “Ja, oder Mama.” “Nee Dei­ne Mut­ter lass ick hier nich ran. Du müss­test mal wie­der den Brow­ser­ver­lauf löschen.” “Hast Du eben Brow­ser­ver­lauf gesagt.” “Wees­te etwa nich, wat det is?” “Ich wuss­te nicht, dass Du sol­che Begrif­fe kennst.” “Du denkst bestimmt ick bin doof, wa?” “Äh Was steht denn da noch?” “Wei­ter.” “Klick da drauf.” “Jetzt dreht sich wat. Jetzt steht hier: Kenn­wort ein­ge­ben, geben Sie das Kenn­wort für Krenz­ke ein, Kenn­wort, Anmel­den” “Halt, ist da eine Zei­le, wo Du was ein­ge­ben könn­test?” “Ja, aber da steht schon Kenn­wort.” “Gut, dort gibst Du das Kenn­wort ein.” “Steht doch schon hier: Kenn­wort.” “Das geht weg, wenn Du dahin klickst.” “Nee, ah hier is jetzt n Strich, der blinkt.” “Gib jetzt Dein Kenn­wort ein.” “Sowat weeß ick nich.” “Dein Kenn­wort ist: Agnes100000.” “Moment Moment Da sind nur Punk­te.” “Pass auf! Mach ein gro­ßes A!” “Ja.” “Jetzt ein G.” “Ja.” “Jetzt ein N.” “Ein N?” “Ja ein N.” “Ein N? War­um denn ein N?” “N, wie der drit­te Buch­sta­be im Namen Dei­ner Frau.” “Wat bis­te denn so jereizt?” Ich dik­tier­te ihm noch ein E, Ein S, eine Eins und fünf Nul­len. “Jetzt klick Anmel­den.” “Ihr Kon­to oder Kenn­wort stimmt nicht” “Hast Du Agnes vor­ne groß geschrie­ben? Das wird vor­ne groß geschrie­ben.” “Wat?” “Der ers­te Buch­sta­be groß, alle ande­ren klein.” “Du, hier uff die Tas­ta­tur sind nur gro­ße Buch­sta­ben.” “Äh”
Er hat­te recht. Auf der Tas­ta­tur sind Groß­buch­sta­ben. Ist das mal jeman­dem auf­ge­fal­len? Das ist doch völ­lig falsch, denn die Groß­buch­sta­ben erreicht man ja erst mit Hil­fe der Hochstelltaste.
“Pass auf! Ganz links, zwei­te Rei­he von unten ist eine Tas­te mit einem Pfeil nach oben.” “Nee.” “Doch, sag doch nicht Nee!” “Wat bis­te denn so jereizt? Ach hier, ja.” “Gut, halt mal die Tas­te fest und drück dann A.” “Jetzt ist die gan­ze Rei­he voll Punk­te.” “Ahhh! Lass das mal Mama machen. Die hat frü­her im Büro gear­bei­tet, die weiß bestimmt, wie eine Schreib­ma­schi­nen­tas­ta­tur funk­tio­niert.” Im Hin­ter­grund hör­te ich mei­ne Mut­ter: “Ich kann det nich!” “Papa, hol mal Mama an den Appa­rat!” “Die is raus jerannt. Jetzt isse weg gerannt. Soll ick vom Ses­sel uffstehn?”
Sekun­den spä­ter saß ich auf dem Fahr­rad und ras­te nach Hohen­schön­hau­sen. Wenn mich jemand auf­hal­ten woll­te, zum Bei­spiel durch sei­ne blo­ße Exis­tenz, dann medi­tier­te ich ihn mit mei­nem Man­tra aus dem Weg: “Ich bin nicht gereizt!”
Als mei­ne Mut­ter mir die Tür öff­ne­te, sag­te Sie: “Schön dass Du end­lich mal vor­bei kommst. Papa macht gera­de mit dem Com­pu­ter. Wills­te ein Kaf­fee.” “Ich kann nicht jedes mal vor­bei kom­men, wenn ihr zu blöd seid, ein Kenn­wort einzugeben.”
Ich gab nicht nur das Kenn­wort ein, ich änder­te es auch so, dass vor­ne kein Groß­buch­sta­be mehr war. “War­um Du det änderst, ick kann doch ooch Groß­buch­sta­ben ein­ge­ben.” “Kanns­te nicht!” “Klar kann ick det.” “Na jeden­falls sind jetzt alle Buch­sta­ben im Kenn­wort klein.” Mei­ne Mut­ter misch­te sich ein: “Und die Zah­len?” Es dau­er­te etwas, bis ich ver­stand: “Wie die Zah­len? Es gibt doch kei­ne klei­nen und gro­ßen Zah­len.” Vater dreh­te auf: “Na klar, gibt det klei­ne und gro­ße Zah­len. Has­te in der Schu­le nich uff­jepasst? Die Eins, zu Bei­spiel is janz kleen oder die Zwei oder die Drei. Und Hun­dert zum Bei­spiel oder ne Mil­li­on is janz groß.”
Ich trank den Kaf­fee, weil ich mich nicht trau­te, nach einem Schnaps zu fra­gen. Dann lösch­te ich den Brow­ser­ver­lauf. Dann frag­te ich doch nach einem Schnaps. “Und Du sagst, Du willst uns nicht mehr besu­chen kom­men?” “Doch, ich kann nur nicht jedes­mal wegen eines Pass­wor­tes auf­sprin­gen und alles ste­hen und lie­gen las­sen.” “Und denn wills­te janich mehr vor­bei komm und uns besu­chen?” “Doch, aber ich renn doch nicht jedes Mal Hals über Kopf los, wenn Du ein Pass­wort ein­ge­ben musst.” “Und denn komms­te also janich mehr vor­bei? Und wenn mal wat is?”
Zum Glück klin­gel­te in die­sem Moment mein Han­dy. Es war die Frau. Irgend etwas funk­tio­nier­te nicht mit dem Auto. Und das war aber ganz ein­fach selbst zu repa­rie­ren. Wirk­lich ganz ein­fach. Und sie ver­such­te mir zu erklä­ren, wie man das macht. Aber ich ver­stand kein Wort.

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