Um Hifi-Lautsprecher zu kaufen, könntest du folgendermaßen vorgehen: Du verschaffst dir ein Bild über die auf dem Markt angebotenen Modelle, indem du möglichst viele Testberichte liest.
Nachdem du dich entschieden hast, zum Beispiel für einen Lautsprecher, der laut Testbericht das Klanggeschehen präzise abbildet und dabei mit trockenem Baß und seidigen Höhen glänzt, für einen Lautsprecher mit akkurater räumlicher Auflösung, der dennoch nicht jedes Detail störend in den Vordergrund rückt, sondern unauffällig angenehm spielt, für einen Lautsprecher, der in seiner Klasse laut Testbericht das Referenzmodell ist, bestellst du ihn einfach im Internet.
Du könntest aber auch mit deiner Lieblings-CD oder ‑Schallplatte in einen Hifi-Laden gehen, dich aufs Sofa im Vorführraum fletzen, dir eine Tasse Kaffee servieren lassen und einen halben Tag die dort aufgebauten Lautsprecher miteinander vergleichen. Der Verkäufer wird dich exzellent beraten und dir erklären, daß du für diesen oder jenen Lautsprecher einen eher leistungsfähigen Verstärker benötigst, für andere Lautsprecher empfiehlt er eine Kombination aus Vorverstärker und Röhrenendstufe. Dazu solltest du mit Teflon isolierte Lautsprecherkabel aus verdrillter Silberlitze verwenden, denn nur so lasse sich das klangliche Potential vollständig ausschöpfen.
Schließlich kaufst du zwei Lautsprecher, die weit mehr kosten, als du jemals gedacht hättest, daß so etwas kosten könnte, dazu einen passenden Verstärker, der noch ein mal so viel kostet, und daher als einziger überhaupt würdig ist, die Lautsprecher angeschlossen zu bekommen. Nur bei den Kabeln hast du dich doch für gewöhnliche Kupferkabel entschieden, da die mit Teflon isolierten Kabel aus verdrillter Silberlitze noch einmal so viel wie einer der Lautsprecher gekostet hätten.
Oder du machst es anders. Du gehst in einen größeren Elektronikmark, suchst dir etwas zu einem vorher überlegten höchsten Preis aus und kaufst es. Hier kann ich nun aus eigener Erfahrung berichten, da ich mir kürzlich zwei Regallautsprecher gekauft habe.
Mit einem überlegten Höchstpreis von 500 Euro begab ich mich in die Filiale einer größeren Elektronikmarktkette im Gesundbrunnen-Center in Berlin, wo ich die angebotenen Modelle kurz durchhören und mich dann für eins entscheiden wollte.
Ich mußte fünfzehn Minuten warten, bis ein Verkäufer für mich Zeit hatte, da sie alle mit anderen Kunden beschäftigt waren, die Mobiltelefone kaufen oder etwas reklamieren wollten. Als der Verkäufer endlich bei mir war und den Verstärker anschalten wollte, um mir die Lautsprecher vorzuführen, sagte er: “Huch? Hier ist ja gar kein Verstärker mehr. Wo ist der denn?”, und ich fragte: “Geklaut?”, und er sagte: “Moment. Ich kümmere mich”, ging fort, kam zehn Minuten später wieder und sagte: “Ich hab mich erkundigt. Wir haben grade keinen Verstärker zum Probehören bereit. Den, der hier immer angeschlossen war, haben wir kürzlich als Vorführmodell verkauft. Tut mir leid. Ich kann Ihnen die Lautsprecher nicht vorführen.”
Eigentlich hätte ich jetzt gehen müssen, da ich meinem Vorsatz, die Lautsprecher einmal kurz durchzuhören, nicht nachkommen konnte, doch ich stellte folgende Überlegung an: Wenn ich die Lautsprecher jetzt hätte durchhören können, hätte ich mich sicher für einen entschieden, der in der nähe meines Preislimits lag. Es gab fünf Modelle, die zwischen 479 und 498 Euro kosten sollten. Da die Hersteller alle versuchen werden, besser als die Konkurrenz oder genausogut zu klingen, sollten alle Modelle in dieser Preisklasse annähernd gleich klingen. Also würde ich mich nach dem Durchhören klanglich gar nicht entscheiden können, sondern würde als weiteres Kriterium das Aussehen heranziehen, womit ich mich also auch gleich nach dem Aussehen richten konnte, und da war die Wahl klar. Ich zeigte auf einen Lautsprecher, der 489 Euro kosten sollte, und sagte: “Den hier möchte ich kaufen.”
Der Verkäufer sagte: “Ja? Der soll es sein? Das würde dann für ein Paar 978 Euro kosten.”
Ich sagte: “Hä? Ich dachte, 489 Euro.”
“So wie ich es hier sehe, bezieht sich der Preis auf nur einen Lautsprecher. Nicht auf das Paar.”
“Aber bei den anderen bezieht sich der Preis immer auf das Paar”, sagte ich und zeigte auf die Preisschilder der anderen Lautsprecher, wo jeweils stand, daß der angegebene Preis stets für ein Paar gilt.
“Ja, bei den Billigteilen wird immer der Paarpreis angegeben”, sagte der Verkäufer, “Aber hier, bei diesem steht nicht, daß es sich um den Paarpreis handelt.”
Eigentlich hätte ich jetzt gehen oder mich für einen anderen Lautsprecher entscheiden müssen, der vom Paarpreis her in meinem Limit lag, und während ich überlegte, tippte der Verkäufer auf seinem Handy rum und sagte dann: “Ich habe grade mal nachgeschaut. Diese Lautsprecher haben wir nicht mehr im Lager. Sie könnten höchstens die beiden Vorführmodelle hier kaufen. Da könnte ich Ihnen im Preis auch etwas entgegen kommen.”
“Ja?”, sagte ich.
“Ja, also, ich sag mal, Sie können beide zusammen für 800 Euro haben.”
Ich sagte: “750?”, womit ich von meinem zweiten Vorsatz, nämlich höchstens 500 Euro zu bezahlen, abgewichen war. Doch meine Überlegung war, daß ich ja für nur 50% mehr einen Lautsprecher bekomme, der doppelt so gut sein muß, wie einer für 500 Euro und dazu noch gut aussieht.
“Uh”, sagte der Verkäufer. “750 Euro … da müßte ich noch mal mit meinem Chef reden, ob ich Ihnen so viel Nachlaß geben kann. Moment, warten Sie kurz! Ich komme gleich wieder.”
Zehn Minuten später kam er zurück und sagte: “Also, ich habe das geklärt. Das war ein Irrtum von mir. Der angegebene Preis von 489 Euro gilt doch für ein Paar. Damit könnte ich Ihnen die beiden Lautsprecher statt für 489 für 400 Euro anbieten. Was halten Sie davon?”
“Perfekt!”, sagte ich und wäre am liebsten im Boden versunken, da ich beinahe ein Paar Billiglautsprecher für 50% mehr gekauft hätte und damit allen klar werden mußte, daß ich Null Ahnung von allem hatte.
“Dann warten sie kurz!”, sagte der Verkäufer, “Ich gehe ins Lager und hole den Originalkarton, dann packen wir die Lautsprecher ein.”
Weitere zehn Minuten später war er mit dem Originalkarton zurück und nahm einen Lautsprecher aus dem Vorführregal, um ihn einzupacken. Dabei glitt ihm der Lautsprecher versehentlich aus den Händen und krachte heftig auf den Boden. Ein paar Plastiksplitter flogen umher, der Hochtöner war herausgebrochen und baumelte an seinen Kabeln neben der Box. Das Holzgehäuse hatte einen langen Riß in der Front.
“Ups”, sagte der Verkäufer, “Das ist jetzt nicht so gut gelaufen. Ähm … das tut mir wirklich leid. Ähm…”
Er versuchte den Hochtöner wieder einzusetzen, aber der hielt nicht, und außerdem hätte das nicht über den Riß im Gehäuse hinwegtäuschen können.
“Also, da ist wohl nichts zu machen”, sagte er. “Das tut mir wirklich leid. Vielleicht möchten Sie sich ja von den anderen Lautsprechern ein Paar aussuchen?”
Ich verneinte und verabschiedete mich. Nachdem ich mich schon entgegen aller Vorsätze für einen Lautsprecher nicht nach Klang, sondern nach Aussehen entschieden hatte und beinahe auch noch viel zu viel bezahlt hätte, wollte ich nun nicht auch noch weitere Kompromisse eingehen.
Ich fuhr zum Alexanderplatz, wo eine weitere Filiale der selben Elektronikmarktkette war, in der Hoffnung, dort mehr Glück zu haben. Nachdem sich nach fünfzehnminütigen Warten endlich ein Verkäufer meiner annahm, zeigte ich im Vorführraum auf das Modell, das ich in der ersten Filiale auf unglückliche Weise nicht kaufen konnte, und sagte: “Den hier will ich haben.” Ich wollte gar nicht fragen, ob ich denn noch alle durchhören könnte. Ich wollte einfach nur kaufen und weg.
Der Verkäufer sagte: “Klar. Kein Problem. Haben wir auch im Lager. Und weil Black-Week ist, also so was wie verlängerter Black Friday, können Sie die für 300 anstatt 489 Euro haben. Ist das ok?”
“Ja, 300 ist ok”, sagte ich und schleppte wenig später eine unhandliche schwere Kiste nach Hause.
Daheim konnte ich dann feststellen, daß ich eine gute Wahl getroffen hatte.
Basierend auf meinen Erlebnissen kann ich nun noch eine weitere Methode nennen, Hifi-Lautsprecher zu kaufen: Du suchst dir einfach einen Lautsprecher aus, der zu deinem Preislimit paßt und dir vom Aussehen gefällt, ohne daß du dir irgendwelche Testberichte durchliest, und bestellst ihn im Internet.
Das ist wahrscheinlich weniger Streß als mein Ausflug zu den großen Elektronikmärkten, wo ich zu allem Überfluß auch noch eine zertrümmerte Box hinterlassen habe.
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