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Stella Fernseher - Technik von damals

Ich wuß­te, daß es nicht stimm­te, aber den­noch stell­te ich mir gele­gent­lich vor, daß im Fern­se­her klei­ne Männ­chen woh­nen, die für den Betrieb zustän­dig sind. Wenn ich den Ein­schalt­knopf drück­te, wür­de ein Männ­chen geweckt, eines, das aus sei­ner Schlaf­ko­je springt und eine Wen­del­trep­pe hin­auf in den Kom­man­do­raum rennt, wo es in ein Mikro­fon ruft: “Alle Männ­chen auf ihre Pos­ten!” Es sprin­gen wei­te­re Männ­chen aus ihren Kojen, lau­fen Trep­pen hoch, Trep­pen run­ter, eini­ge beflei­ßi­gen sich, Koh­len in einen Kes­sel zu schip­pen, ande­re über­wa­chen die Instru­men­te, Kol­ben set­zen sich in Bewe­gung, Zahn­rä­der dre­hen, es zischt und dampft, es beginnt zu flim­mern, und lang­sam, immer hel­ler wer­dend strahlt ein Pro­jek­tor das Bild von innen auf die Glasscheibe.

Es stimm­te zwar nicht, und ich wuß­te das, aber mir gefiel die Vor­stel­lung, daß die Männ­chen das taten, nach­dem ich den Ein­schalt­knopf gedrückt hat­te und zwei Minu­ten auf das Bild war­ten mußte.
Tat­säch­lich ver­ur­sach­ten die Röh­ren in dem Schwarz­weiß­fern­seh­ge­rät die Ver­zö­ge­rung, denn die Röh­ren muß­ten nach dem Ein­schal­ten erst warm werden.

Den Fern­se­her hat­ten mei­ne Eltern gekauft, als ich fünf Jah­re alt war, ein Stel­la-Fern­se­her aus dem RFT-Werk in Stas­s­furt in der DDR. Am Tag, als er gelie­fert wur­de, sag­ten sie “heut Abend kannst du das Sand­männ­chen gucken”, etwas, was ich die vor­an­ge­gan­ge­nen Jah­re mei­nes Lebens nie ver­mißt hat­te, und ich sah zum ers­ten Mal das Sand­männ­chen, frag­te mich aber nicht, wie das Sand­männ­chen in den Fern­se­her hin­ein­kom­me. Ich nahm es ein­fach hin.

Spä­ter durf­te ich mal eine Sen­dung schau­en, bei der mei­ne Mut­ter erklär­te, dar­über dür­fe ich mich nicht mit den ande­ren im Kin­der­gar­ten unter­hal­ten, doch zu mei­nem Erstau­nen unter­hiel­ten sich am nächs­ten Tag alle im Kin­der­gar­ten über die Sen­dung, also ging ich dazwi­schen und sag­te, daß sie sich dar­über nicht unter­hal­ten dürf­ten. Frau Lau, die Erzie­he­rin, muß­te lachen. Ich kapier­te es nicht.
Im Nach­hin­ein weiß ich, daß es West­fern­se­hen gewe­sen war – Sesam­stra­ße. Mei­ne Mut­ter behaup­tet zwar, daß sie mir nie ver­bo­ten habe, im Kin­der­gar­ten dar­über zu spre­chen, aber ich weiß es bes­ser, ich war dabei, als ich mich im Kin­der­gar­ten blamierte.

Ich war viel­leicht sie­ben oder acht Jah­re, als ich ein­mal zum Abend­brot Tel­ler ins Wohn­zim­mer trug, mei­ne Eltern han­tier­ten gra­de etwas in der Küche, und im Wohn­zim­mer lief der Fern­se­her. Ich hielt an und sah einen Mann auf einer Art Pon­ton auf einem See ste­hen. Es kam ein Pro­pel­ler­flug­zeug, das dicht über ihn hin­weg­flog, so dicht, daß es mit sei­nem Pro­pel­ler den Ober­kör­per des Man­nes weg­ras­pel­te. Danach stan­den nur noch zwei Bei­ne auf dem Pon­ton und sack­ten in sich zusammen.
Ich schau­te weg, stell­te die Tel­ler auf den Tisch und behielt für mich, was ich gese­hen hat­te, sprach mit nie­man­dem darüber.
Etwa 15 Jah­re spä­ter erkann­te ich die Sze­ne wie­der, als ich Catch-22 von Joseph Hel­ler las.

In fast eben­so jun­gem Alter war ich an eine ande­re Erwach­se­nen­sen­dung gera­ten, in der eine neue Erfin­dung vor­ge­stellt wur­de, eine so genann­te Fern­seh­pis­to­le. An den Fern­se­her ange­schlos­sen soll­te man bei Live­über­tra­gun­gen mit der Pis­to­le Men­schen erschie­ßen kön­nen. Sie zeig­ten Sport­ler bei einem Hür­den­lauf über Ein­hun­dert Meter und erklär­ten, wie leicht man mit der Fern­seh­pis­to­le das Ren­nen nach eige­nen Wün­schen beein­flus­sen kön­ne. Sie ziel­ten mit der Pis­to­le auf jenen Läu­fer, der mit gro­ßem Abstand in Füh­rung lag, und drück­ten ab. Sofort stürz­te der Läu­fer, die Hür­de, die er gra­de über­sprin­gen woll­te, mit sich rei­ßend, zu Boden und wur­de von den ande­ren über­holt. Das war natür­lich Spaß, Sati­re, Blöd­sinn, sie hat­ten einen Hür­den­lauf von einer Olym­pia­de gezeigt und so getan, als hät­ten sie den Mann erschos­sen, der in Wirk­lich­keit nur unglück­lich gestürzt war. Sie demons­trier­ten die Fern­seh­pis­to­le noch an wei­te­ren Bei­spie­len, ich weiß nicht mehr, was für Bei­spie­le, viel­leicht eine Fuß­ball­über­tra­gung, bei der ein Stür­mer in frei­em Lauf durch einen geziel­ten Schuß mit der Fern­seh­pis­to­le sei­ner Tor­chan­ce beraubt wur­de, viel­leicht war auch die Sze­ne mit John F. Ken­ne­dy dabei, ich hät­te die Bil­der nicht ein­ord­nen kön­nen, ich war zu jung, zu klein, und ich nahm, was ich sah, zunächst für bare Mün­ze, dach­te, daß ich nie­mals ins Fern­se­hen möchte.
Aber dann kamen mir doch noch Zwei­fel, denn ich dach­te, wenn vie­le Haus­hal­te solch eine Fern­seh­pis­to­le hät­ten, gäbe es sicher jeman­den, der den zwei­ten Hür­den­läu­fer erschös­se und den drit­ten und den vier­ten. Mög­li­cher­wei­se wür­den alle Hür­den­läu­fer gleich am Start erschos­sen, dann macht eine Live­über­tra­gung eines Wett­ren­nens gar kei­nen Sinn mehr, die Freu­de am Wett­kampf wäre dahin.
Außer­dem war ich mir unsi­cher, wie solch eine Fern­seh­pis­to­le tech­nisch über­haupt umge­setzt wer­den könn­te, und am Ende kam ich zu dem Schluß, daß mir in der Fern­seh­sen­dung wohl ein Bär auf­ge­bun­den wer­den sollte.

Der Fern­se­her hat­te UHF und VHF. Die Sen­der für UHF wur­den mit einem stu­fen­lo­sen Dreh­reg­ler ein­ge­stellt, die Sen­der für VHF mit einem ein­ras­ten­den Kanal­dreh­schal­ter. Dazu gab es einen Knopf, mit dem zwi­schen VHF und UHF umge­schal­tet wurde.
Mit einem gewis­sen Alter und ent­spre­chen­der Grö­ße war ich in der Lage und geübt genug, im Ses­sel flä­zend, die Sen­der mit den Füßen umzu­schal­ten. Das war mei­ne Fern­be­die­nung, die Fußfernbedienung.
Beson­ders schwie­rig war es, den Kanal­wahl­schal­ter für VHF zu dre­hen, er war schwer­gän­gig, ich muß­te ihn mit bei­den Füßen bedie­nen, indem ich ihn zwi­schen die gro­ßen Zehen klemm­te. Manch­mal rutsch­te ich bei die­sen Ver­ren­kun­gen vom Sessel.
Aller­dings benutz­te ich den VHF-Schal­ter nur sel­ten, denn auf VHF sen­de­te nur das Ers­te Ost und das Ers­te West, und Ost­fern­se­hen haben wir so gut wie nie geguckt. Der Kanal­wahl­schal­ter stand eigent­lich immer auf Ers­tes West.
Ich erin­ne­re mich an nur ein Mal, näm­lich als im Ost­fern­se­hen Robin­son jr. lief, daß wir alle Ost­fern­se­hen geguckt hat­ten. Robin­son jr, war am nächs­ten Tag das Pau­sen­the­ma Num­mer eins, und sogar im Unter­richt, als die Leh­re­rin sag­te, sie müs­se mal kurz aus dem Raum, sie kom­me gleich wie­der, rief ihr jemand nach: “Aber nicht Zin-Zin machen!”
Sonst haben wir die damals übli­chen Sen­dun­gen im West­fern­se­hen geschaut: Bie­ne Maja, Sesam­stra­ße, Wickie, Sind­bad, Wom­bles, Bonan­za, Mond­ba­sis Alpha 1, Raum­schiff Enter­pri­se mit Cap­tain Kirk, Mon­tags­ma­ler, Eins, zwei oder drei, Drei Engel für Char­lie, Colum­bo und noch mehr.

Der Fern­se­her hat mehr als 15 Jah­re sei­nen Dienst getan. Kei­ner der West­farb­fern­se­her, durch den mei­ne Eltern ihn spä­ter ersetzt haben, hat län­ger gehalten.

Tags: DDR, Technik von damals, Fernseher

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