Jetzt noch nicht Corona gehabt zu haben, ist so was von 2019, und vielleicht hätte ich es nie bemerkt, wenn ich nicht den einen Freitag aus Spaß einen Schnelltest gemacht hätte, denn mein Arbeitgeber stellt kostenlose Schnelltests bereit, so daß jeder, der will oder sich so fühlt, sich testen kann, bevor er mit der Arbeit beginnt.
Da saß ich nun am Schreibtisch im Büro und blickte ungläubig auf die zwei Streifen. Irre! So etwas hatte ich bisher nur auf Fotos gesehen, in der Facebook-Timeline, in der Twitter-Timeline, und einmal, es war 2017, hatte meine Freundin mir solch ein Bild auf WhatsApp geschickt. Ich sollte Vater werden.
Damit war mein Arbeitstag nach zehn Minuten beendet. Ich verließ das Büro, hielt das Teststäbchen vor mich und zeigte es einer Kollegin, der ich im Gang begegnete. Sie schrak zurück, wie ein Vampir vor dem Kreuz.
Nun hatte ich es also in mir, das Corona, dieses Omikron, was auch immer es war, dieses Ding, wovor wir uns seit zwei Jahren fürchteten. Das Ding, weshalb wir fast nur noch im Homeoffice saßen, das Ding, wegen dem wir eine Kurve flach gemacht haben, das Ding, wegen dem sich Querdenker und Qanon-Schwurbler formiert hatten, das Ding, gegen das wir uns ein mal, zwei mal, drei mal oder vielleicht vier mal haben impfen lassen.
Auf dem Heimweg in der S‑Bahn bekam ich Schüttelfrost. Ich mußte niesen, voll in die Maske. Das Ding war real geworden, und es tat mit mir das, was von dem Ding zu erwarten war. Der Schnelltest hatte das Ding erkannt. Oder hatte der Schnelltest Corona erst ausgelöst? Vor dem Schnelltest war doch alles in Ordnung mit mir. Was wäre geschehen, wenn ich mich nicht getestet hätte? War Corona vielleicht eine Krankheit in Superposition, die erst durch die Messung real wird? Schrödingers Virus?
Aber nein, das kann nicht sein, denn wie sich herausstellen sollte, hatten die anderen Jungs, der Uli und der Spider, mit denen ich ein paar Tage zuvor beim Bier in der Kneipe gesessen hatte, ebenfalls Corona bekommen. Wir mußten uns in der Kneipe infiziert haben, denn woher sollten deren Tests wissen, wie mein Testergebnis war? Dazu wäre ja schon etwas völlig Absurdes wie eine Art Verschränkung, eine spukhafte Fernwirkung von nöten. Das ist undenkbar! So etwas gibt es nicht!
Corona ist echt. Corona gibt es. Corona ist ein Virus. Und so hatte ich dann einen Abend Fieber und einen Tag lang schlapp gepennt. Wie öfters schon. Ich hätte es für einen grippalen Infekt gehalten und wäre Montag wieder zur Arbeit gegangen.
Durch die Messung war es allerdings zu Corona geworden.
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