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Karlsklock

Mich rief jemand an, der sich mit Mar­co vor­stell­te, er habe mei­ne Tele­fon­num­mer von einem Kum­pel von mir, er rufe an, weil er jeman­den für eine Sen­dung im Fern­se­hen brau­che (ich weiß nicht mehr, wel­che Sen­dung, viel­leicht Fron­tal 42, ich hab es mir nicht gemerkt), er brau­che einen Com­pu­ter­spe­zia­lis­ten, der vor lau­fen­der Kame­ra demons­triert, dass die Karlsklock Daten nach Chi­na sendet.
“Was ist die Karlsklock?”, frag­te ich.
Mar­co erklär­te, das sei eine Uhr für Kin­der, eine Art Smart­watch, bei der die Eltern mit einer App ver­fol­gen kön­nen, wo sich ihr Kind gera­de auf­hält – mit GPS.
“Ok”, sag­te ich. “Und war­um soll ich jetzt des­halb ins Fernsehen?”
“Weil die in der Wer­bung sagen, dass die Karlsklock alle Daten nur auf deut­schen Ser­vern spei­chert. Aber in Wirk­lich­keit ist das nicht so. Die Karlsklock spei­chert die Daten auf chi­ne­si­schen Ser­vern. Das ist Betrug!”
“So so”, sag­te ich. “Auf chi­ne­si­schen Ser­vern. Das heißt, wenn ich mei­nem Kind die­se Uhr umschnal­le, dann wis­sen die in Chi­na, wo mein Kind ist, weil die Uhr alle Daten nach Chi­na sendet?”
“Rich­tig”, sag­te Marco.
“Ok. Und wenn alles mit rech­ten Din­gen zuge­hen wür­de, wenn die Uhr also, wie in der Wer­bung behaup­tet wird, die Daten nur auf deut­schen Ser­vern spei­chern wür­de, dann wüss­ten die in Chi­na nicht, wo mein Kind ist, aber die in Deutsch­land wüss­ten das.”
“Ja, so ungefähr.”
“Und ich soll jetzt also mit Com­pu­ter, Oszil­lo­skop, tcp­dump und ande­rem Hokus­po­kus vor­füh­ren, dass die­se Karlsklock Daten nach Chi­na sen­det, anstatt wie behaup­tet nach Deutschland?”
“Ja, so ungefähr.”
“Hm …”, sag­te ich und such­te, das Tele­fon am Ohr, die Karlsklock im Inter­net. Ich fand sie bei Ama­zon und las die ers­te Rezen­si­on, die nur einen Stern hat­te: “Voll Schei­ße die Karlsklock. GPS-Ortung funk­tio­niert gar nicht. Hab mei­nem Kind die Uhr umge­macht, als es zur Schu­le ist. Die Ortungs-App hat mir gezeigt, dass das Kind ganz wo anders ist. Erst bei der Eis­die­le, dann am See und spä­ter in der Ein­kaufs­pas­sa­ge. Hab die Uhr zurück­ge­schickt und eine neue bekom­men. Bei der Aus­tau­sch­uhr das sel­be Pro­blem. Nein Dan­ke! Nie wie­der Karlsklock.”
“Die scheint gar nicht rich­tig zu funk­tio­nie­ren”, sag­te ich. “Hab mir gera­de eine Rezen­si­on durch­ge­le­sen. Ist es da nicht egal, dass die Daten nach Chi­na gesen­det werden?”
“Nein, das ist nicht egal. In der Wer­bung steht näm­lich, dass die Daten nach Deutsch­land gesen­det wer­den. Also Betrug!”, sag­te Marco.
“Ok, aber war­um soll aus­ge­rech­net ich nun vor­füh­ren, dass die Daten nach Chi­na gehen?”
“Na, weil du dich damit aus­kennst. Wenn du das in der Repor­ta­ge vor­führst, wird unten ein­ge­blen­det: Tobi­as Her­re – Com­pu­ter­spe­zia­list. Haupt­sa­che ist, wenn dann jemand dei­nen Namen goo­g­led, dass nicht als ers­tes kommt, dass das ein tota­ler Spin­ner ist.”
“Wenn man mei­nen Namen goo­g­led, kommt als ers­ter Tref­fer, dass ich Schrift­stel­ler bin.”
“Ach echt?”, sag­te Marco.
“Ja”, sag­te ich. “Ich könn­te das mit der Karlsklock natür­lich vor­füh­ren. Es ist schon eine ech­te Saue­rei, dass die Daten nach Chi­na gesen­det wer­den. Aber ich muss auch nicht. Eigent­lich will ich gar nicht. Ich schreib ein­fach was auf mei­nem Blog dazu. Und ich illus­trie­re das mit einem Aus­schnitt aus einem Bild von Sal­va­dor Dalí – Die Bestän­dig­keit der Erin­ne­rung.”

Tags: GPS, Werbung, DSGVO

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