Das Buch ist 1973 in der DDR beim Militärverlag erschienen, ein Spionageroman, der im Jahre 1995 spielt, also in der Zukunft, die heute Vergangenheit ist. Für das Jahr 1995 wird unter anderem vorhergesagt, daß es die DDR noch gibt, die Autos Spurhalteassistenten haben und Fotos immer noch entwickelt werden müssen.
In einem Stollen in der Nähe von Dresden wird an Robotern geforscht, die, mit neuronalen Netzen gesteuert, die Produktivität der RGW-Staaten so stark erhöhen sollen, daß sie die der westlichen Welt weit übertreffen würde. Agenten der westlichen Welt wollen die Entwicklung der Roboter sabotieren und am liebsten den Stollen in die Luft sprengen.
Ich möchte aus diesem spannenden Roman nun drei Passagen herausgreifen und hier vorstellen.
In der ersten erklärt ein Professor, warum die Storos (Roboter) auf speziellen Gebieten genauso intelligent sein können wie Menschen, obgleich die Roboter 1000 mal weniger Speicherkapazität haben:
Das menschliche Gehirn wird auf eine Kapazität von zwei Milliarden bit geschätzt, aber die sind längst noch nicht ausgelastet. Unsere Storos haben im Zentralrechner eine Kapazität von zwei Millionen bit, also ein Tausendstel Teil. Das reicht völlig. Stellen Sie sich mal vor, was der menschliche Ingenieur alles in seinem Gehirn aufbewahren muß: Kindheitserinnerungen, Philosophie, Schlagermelodien, Kochrezepte, die Taillenweite seiner Frau, Kunst, Mode, Fernsehfilme – alles, was Sie wollen und was der Storo nicht braucht.
Insel der Roboter – Seite 31
Es ist beachtlich, mit welch bescheidenem Maße der Autor hier rechnet und zu dem Schluß kommt, daß zwei Millionen Bit, also rund 308 Kilobyte, völlig reichen. Heute wissen wir es besser: 640 kB ought to be enough for anybody.
Und hier noch etwas zur Taillenweite der Frau des Ingenieurs: Um die Taillenweite seiner Frau zu speichern, benötigt der Ingenieur, je nachdem wie seine Frau gebaut ist, im günstigen Fall 6 Bit und im eher ungünstigen Fall 7 Bit. Verglichen mit dem Speicher, den seine Kindheitserinnerungen belegen, ist das sicher vernachlässigbar.
An einer anderen Stelle in dem Buch soll eine Kollegin, die bei der Roboterforschung mitwirkt, wo man sich bei der Programmierung für die “selektive Methode” (Training neuronaler Netze) anstatt für die “serielle Methode” (klassische iterative Programmierung) entschieden hat, in einem Studentenclub dem Gegner falsche Hinweise über ihre Arbeiten geben. Als Gegner (westlicher Agent/Spion) wird einer ihrer vielen Verehrer, die sie in dem Studentenclub regelmäßig umgeben, vermutet, und Horst Heilig, der Kopf der Spionageabwehr, macht ihr Vorschläge, wie sie die Begriffe aus ihrer Arbeit einstreuen soll:
Sie könnten doch zum Beispiel bei passender Gelegenheit sagen, daß Sie auch bei Männern die selektive Methode bevorzugen und nicht die serielle oder so etwas, das wird in diesem Kreise jeder verstehen und keiner für ungewöhnlich halten.
Insel der Roboter – Seite 129
Da in dem Stollen bei Dresden hochintelligente Roboter programmiert werden, kommt selbstverständlich auch die Frage auf, ob diese nicht auch eine Gefahr für den Menschen sein könnten. Die Wissenschaftler diskutieren darüber, ob vielleicht eine Art Mensch-Erkennung implementiert werden sollte, die die Roboter sofort zum Stillstand bringt, wenn sich ein Mensch ihnen nur im Geringsten nähert. Doch dies wird verworfen, da der Protagonist sogleich eine Methode nennt, wie der Gegner die Arbeit der Roboter leicht sabotieren könnte:
Ich mache Ihnen einen – zugegeben recht primitiven ‑Vorschlag, wie ich alle Storos, die das Mensch-Verbot intus haben, außer Betrieb setze. Mit einer einfachen Schaufensterpuppe, die ich zwischen den Storo und seinen Arbeitsplatz stelle.
Insel der Roboter – Seite 144
Es sind eben wohl doch 640 Kilobyte notwendig, damit ein Roboter einen echten Menschen von einer Schaufensterpuppe unterscheiden kann.
Das Buch ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert, wenn man sich gedanklich in die 90er Jahre begeben will, wie man sie sich in den 70ern vorgestellt hat, und sich außerdem für Agenten, Methoden der Stasi und KI mit neuronalen Netzen interessiert.
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