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Das Ы

Das Ы ist sicher­lich der eigen­ar­tigs­te Buch­sta­be im Rus­si­schem und mit ihm ver­bun­den auch der eigen­ar­tigs­te Laut der Rus­si­schen Spra­che. Laut Wiki­pe­dia wird das Ы wie ein I mit zurück­ge­zo­ge­ner Zun­ge gespro­chen. Da ist was dran, das kann ich bestä­ti­gen. Aber, ob das einem Deut­schen Mut­ter­sprach­ler hilft, den Laut kor­rekt wie­der­zu­ge­ben, will ich bezwei­feln. In der Schu­le damals hat­ten sie gelehrt, das Ы sei zu spre­chen, indem man gleich­zei­tig ein U und ein I spre­che, wo ich mich frag­te, wie das gehen sol­le. Mei­ne Mit­schü­ler spra­chen nach die­ser Anlei­tung etwa das Wort ты als tui aus, also wie Pfui mit T, und das war weit weit weit ent­fernt vom wah­ren Klang des Ыs.
Ich hat­te das Ы im Alter von sie­ben Jah­ren in der Sowjet­uni­on unter Mut­ter­sprach­lern gelernt, ich kann es intui­tiv rich­tig spre­chen, so glau­be ich, denn gelernt hat­te ich es in einem Alter, wo es noch mög­lich ist, belie­bi­ge Spra­chen akzent­frei zu erler­nen. In Mar­vin Min­skys Men­to­po­les habe ich von der Theo­rie erfah­ren, daß es einem Men­schen nach der Puber­tät nicht mehr (oder nur noch mit größ­ten Schwie­rig­kei­ten) mög­lich sei, eine Fremd­spra­che akzent­frei spre­chen zu ler­nen. Der Grund sei, daß die Men­schen ab der Puber­tät Kin­der bekom­men und die­se erzie­hen müs­sen. Nun dürf­te jedem schon auf­ge­fal­len sein, daß vie­le Erwach­se­ne, die einem Klein­kind oder einem Baby begeg­nen, plötz­lich in eine merk­wür­di­ge Spra­che ver­fal­len, sie set­zen auf ein­mal eine Art Baby­spra­che auf: “Ei-ti-tei. Na? Bibl-bibl-bibl. Brrr. Hat­tu Hunger?”
Die Erwach­se­nen tun das, weil sie glau­ben, sich dem Baby, indem sie in der Spra­che des Babys spre­chen, bes­ser ver­ständ­lich machen zu kön­nen, nur ist es ihnen nicht mög­lich, dies akzent­frei zu tun, denn die Evo­lu­ti­on hat
hier den Rie­gel vor­ge­scho­ben. Nach der Puber­tät geht das nicht mehr, denn gin­ge es, wür­den sich die Erwach­se­nen der Spra­che der Kin­der anpas­sen und nur noch “Bal­la­bal­la, titi­ti­ti, Br-br-br” von sich geben, dabei sol­len sich die Kin­der der Spra­che der Erwach­se­nen anpas­sen, was sie letzt­end­lich auch tun, weil sie mit dem Bal­la-bal­la-Gela­ber der Erwach­se­nen nichts anfan­gen können.
So wie die Deut­schen mit der Rus­si­schen Spra­che ein Pro­blem haben, haben die Rus­sen mit Deutsch ein Pro­blem. Sie kön­nen im min­des­ten das H und das Ü nicht aus­spre­chen, für H sagen sie CH, wobei das CH von “Buch” ver­wen­det wird, und für Ü wird wahr­schein­lich gelehrt, daß es zu spre­chen sei wie U und I zugleich, wodurch sich ein Wort wie Hühn­chen von einem Rus­sen aus­ge­spro­chen so anhört wie Chuinchen.
Kürz­lich ist mir die “Zebra-Buch­sta­bier­ta­fel” unter­ge­kom­men, die unse­ren ABC-Schüt­zen hel­fen soll, lesen und schrei­ben zu ler­nen, und dort waren mir unse­re zwei For­men des Is auf­ge­fal­len. Es gibt das Insel‑I und das Igel‑I, denn das I hat zwei For­men, aus­ge­spro­chen zu wer­den, ent­we­der wie bei Insel oder wie bei Igel.
Und dann war mir auf­ge­fal­len, daß, wenn man das Insel‑I gefolgt von einem Igel‑I aus­spricht, sich das fast so anhört wie Ы.
Viel­leicht hilft das ja jeman­dem, der gera­de ver­sucht, das Ы aus­spre­chen zu ler­nen. Es ist jeden­falls bes­ser, als zu veru­chen, U und I zugleich zu spre­chen. Aber akzent­frei wird es mög­li­cher­wei­se nie, wenn der­je­ni­ge die Puber­tät bereits hin­ter sich hat.

Tags: Ы, Pubertät, Fremdsprachen, Russisch, Deutsch, Minsky

3 Kommentare

  • Ahne

    12. November 2024, 17:55

    Die unterschiedliche Aussprache gibt es im Deutschen bei allen Vokalen. Beim E, Weg und weg, beim O, Post (von etwas posten) und Post (wo man früher Pakete abholen konnte) am offensichtlichsten. Ich hab mal eine Rechtschreibreform vorgeschlagen, wo hinter länger gesprochenen Vokalen nur an Konsonant, hinter kürzer gesprochenen Vokalen zwei Konsonanten folgen sollten. Wäre erst einmal eine große Umstellung aber auf Dauer eine große Erleichterung, denke ich. Damit könnten auch alle Doppel-Vokale und das Dehnungs-h entfallen. Gäbe trotzdem noch kleinere Probleme, z.B. das Ableiten bei Umlauten, aber na ja.

  • tube

    14. November 2024, 08:43

    Dann würde man statt weggucken wegggukken schreiben. Und man immer mit Doppel-N.

  • Ahne

    16. November 2024, 00:50

    Genau.

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