Sicher haben die meisten mitbekommen, daß demnächst Bundestagswahl ist, eine vorgezogene Bundestagswahl, genau wie vor 20 Jahren, 2005, als es schon einmal eine vorgezogene Bundestagswahl gab. Ich versuche, zu vergleichen, was war damals, was ist jetzt?
Vielleicht erinnern sich noch einige an den Wahlcomputer der Surfpoeten zur Bundestagswahl im Jahre 2005. (Hier eine archivierte Version). Ich hatte jene Wahlhilfe programmiert, da der Wahlomat der Bundeszentrale für Politische Bildung (BpB) damals nur jene Parteien enthielt, von denen ein Einzug ins Parlament zu erwarten war, und ich eine Alternative schaffen wollte, die alle Parteien berücksichtigt. Der Wahlomat der BpB war ein undemokratisches Machwerk, die BpB wurde ihrem Auftrag nicht gerecht, allumfassend zu informieren. Zur Bundestagswahl 2009 hatte die BpB dann zwar alle Parteien im Wahlomaten, man durfte aber stets nur acht für das Ergebnis vorauswählen. Daß man mittlerweile dort auch alle Parteien zugleich auswählen kann, ist wohl Verdienst der Volt-Partei, die mehrfach geklagt, verloren und am Ende gewonnen hat. Allein die Tatsache, daß solch eine Kleinigkeit wie “Alle Parteien zugleich auswählen” eingeklagt werden mußte, bezeugt, daß die BpB absichtlich ihrem Auftrag, allumfassend zu informieren, nicht nachkommen wollte, denn Begründungen wie, das sei technisch nicht einfach möglich (Bullshit!), oder man mache es aus didaktischen Überlegungen heraus, man wolle vermeiden, daß Nutzer alle Parteien auf einmal auswählen, ohne sich gezielt mit den Programmen auseinanderzusetzen, sind Schwachsinn, bestenfalls vorgeschoben. Falls die BpB noch irgendein bißchen Glaubwürdigkeit und Seriosität übrig hatte, hat sie diese spätestens mit Rezos Fake Train im Jahre 2024 vollständig verloren. Die BpB sollte eingestampft werden, was dort passiert, ist Verschwendung (ich möchte fast sagen: Veruntreuung) von Steuergeld.
Das Thema Nummer 1 im Jahre 2005 (oder unser/mein Thema Nummer 1) war Arbeit, Arbeitslosigkeit und Arbeitsplätze. Vor dem Hintergrund, daß die voranschreitende Automatisierung künftig immer mehr Arbeit einspare, erschien es völlig unsinnig, wenn Politiker forderten, es müßten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, wobei aus Reihen der FDP sogar Aussagen zu hören waren, man wolle durch Automatisierung mehr Arbeitsplätze schaffen. Dabei hätte die eigentliche Frage lauten müssen: Wie gehen wir mit den Arbeitslosen, die die Automatisierung schafft, um? Sollte Arbeitslosigkeit nicht besser ein gesellschaftlich anerkannter Normalzustand sein? Sollen wir wirklich versuchen, jeden und alles in einen Vollzeitjob zu stecken? Ist es nicht besser, von den Errungenschaften der Automatisierung zu profitieren und weniger bzw. gar nicht zu arbeiten? Konzepte wie Grundeinkommen oder die 1‑Stunden-Woche entstanden, doch waren sie weit davon entfernt, im kollektiven Vertständnis anzukommen. Einen Vollzeitjob zu haben, galt als hohes Gut, dagegen arbeitslos zu sein, als ganz unten angekommen. Daher versprachen Parteien und Politiker Arbeitsplätze zu schaffen. Die NPD zum Beispiel, die das Übel in Ausländern, die Arbeitsplätze wegnähmen, sah, wollte Arbeitsplätze schaffen, indem sie forderte: Arbeit nur für Deutsche, wozu Michel Stein damals meinte, man müsse es noch verschärfen: Arbeit nur für Nazis.
In der Parteienlandschaft gab es eigentlich nur eine einzige Partei, die das Problem der Automatisierung und der damit einhergehenden Steigerung der Arbeitslosigkeit erkannt hatte und vernünftige Lösungen anbot. Es war die Anarschistische Pogopartei Deutschlands (APPD), die im Wahlomaten der BpB nicht erwähnt wurde. Und dies führte zur Geburt der Wahlhilfe der Surfpoeten, wo eben auch die APPD enthalten war.
Gleich die erste Frage (bzw. These) lautete “Es müssen mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Ja/Neutral/Nein”. Diese Frage beantworteten rund 96% der Nutzer mit “Ja”, obgleich ich mir die Mühe gemacht hatte, zu dieser Frage einen Hilfetext zu verfassen, der erklärte, warum es falsch sei, mehr Arbeitsplätze schaffen zu wollen. In Grundzügen ging die Erklärung so: Was ist eigentlich, wenn das Versprechen wahr wid und tatsächlich mehr Arbeitsplätze geschaffen worden sind? Es arbeiten mehr Menschen, also wird mehr produziert. Doch was soll mehr produziert werden? Was fehlt uns? Ein Beispiel: Call-Center schaffen relativ viele Arbeitsplätze. Doch was produziert ein Call-Center? Telefonanrufe bei dir zu Hause. Am Telefon will dir jemand einen Staubsauger aufschwatzen. Natürlich bist du nicht so blöd, einen Staubsauger zu kaufen und legst sofort auf. Doch es muß Menschen geben, die so blöde sind, sonst würden die Call-Center nicht existieren. Nehmen wir an, du wärst einer von den Idioten, die einen Staubsauger kaufen, das ergibt einen weiteren Arbeitsplatz für den, der den Staubsauger produziert. Doch als dir der Staubsauger geliefert wird, stellst du fest, daß er kaum besser als dein alter Staubsauger und die versprochene Turbokraft nicht vorhanden ist. Dein neuer Staubsauger steht bei dir im Schrank und du benutzt deinen alten weiter. Hättest du den Arbeitslosen das Geld, das du für den Staubsauger bezahlt hast, einfach so gegeben, stünde der Staubsauger nicht in deinem Schrank, er wäre nie produziert worden, das hätte Resourcen geschont und du hättest auch keinen Anruf vom Call-Center bekommen. Das Versprechen, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, ist im Grunde eine Drohung – die Drohung mit einer riesigen Flut an sinnlosen Produkten.
Die beste Forderung wäre also: Gebt ihnen Geld, Hauptsache sie arbeiten nicht!
Vielleicht hat nie einer auf den Hilfe-Knopf geklickt, oder es hat keiner verstanden, was dort stand, anderenfalls hätten keine 96% dafür gestimmt.
Nun sind 20 Jahre vergangen. Was ist seit dem passiert? Wurden Arbeitsplätze geschaffen? Leider ja. Callcenter sind vielleicht nicht mehr die erste Quelle des Vertriebs sinnloser Produkte. Dafür haben haben wir mehr Spam-Mails, Wegwerf-E-Autos, Computersoftware, die ständig um unsinnige Features erweitert wird, und nur mit einem Update-Abo funktioniert. Wir haben Temu, TikTok, Klimakleber und als spezielles Beispiel: Gender Studies an den Universitäten, die Unmengen an Forschungsgeldern akquirieren, Blödsinn publizieren und Absolventen produzieren, die als Diversitybeauftragte in die Betriebe wandern und sich dort damit befassen, “gendergerechte” Sprache am Arbeitsplatz einzuführen und daß genügend Tampons auf dem Männerklo sind.
Es sind sinnlose Produkte einer neuen Art, die geschaffen wurden, wo man am besten nur fordern kann: Gebt ihnen das Geld! Hauptsache sie arbeiten nicht.
Wir sehen hier in die häßliche Fratze des Kapitalismus, der Leistungsgesellschaft, die es nicht zulässt, daß du “nichts” bist, daß du arbeitslos bist, einfach nur, weil es nichts zu arbeiten gibt. Gibt es nichts zu arbeiten, mußt du irgendeine Arbeit finden, eine Arbeit erschaffen, sei die Arbeit noch so sinnlos, und seien die Produkte, die dabei entstehen, noch sinnloser. Hauptsache Arbeit.
2 Kommentare
ja, man. aber tiktok ist geil.
Ich hatte es mal probiert. Herr Blaha meinte, ich müsse nur eine Weile swipen, dann würde der Algorithmus sich auf mich einstellen und mir nur noch Sachen zeigen, die mir gefallen. Nach eine Weile swipen zeigte mir TikTok ständig Kampfjets, die irre Manöver flogen: F-16 in Vierer-Formation im Looping, Su-27 beim Cobra-Manöver, senkrecht auf einem Flugzeugträger landende F-35 und andere verrückte Sachen. Ja. schon geil. Aber auf Dauer?
Herr Blaha meinte, ich müsse die Kampfjets einfach nur schnell wegswipen, dann kommt auch mal was anderes, und ich swipte so schnell ich nur konnte die Dinger weg.
Es kamen trotzdem immer nur wieder Kampfjets.
Schreib einen Kommentar