
Ich habe meiner ehemaligen Klassenlehrerin eine E‑Mail geschrieben.
Hallo Frau …,
ich habe mich sehr gefreut, indirekt über … nach so langer Zeit, etwas von Ihnen zu hören, und da ich in diesem Zusammenhang Ihre E‑Mail-Adresse bekommen habe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen eine Frage zu stellen, die mich nun schon seit etwa 43 Jahren beschäftigt.
Im Jahre 1982 haben Sie einem meiner Klassenkameraden, ich bin mir ziemlich sicher, es war …, in einer Unterrichtsstunde ein von mir mit viel Fleiß und Mühe selbst gezeichnetes Comic abgenommen. Mein Klassenkamerad hatte das Comic heimlich unter dem Tisch gelesen, was Ihrem aufmerksamen Blick jedoch nicht entgangen war.
Nach der Unterrichtstunde fragte ich Sie, ob ich das Heft wieder bekommen könne, und Sie sagten, dass Sie es mir zum Ende des Schuljahres zurückgeben würden.
Dazu kam es jedoch nicht, da Sie zum Ende des Schuljahres unsere Schule verließen, um, wie es hieß, nach … zu ziehen. Soweit ich mich erinnere, waren Sie bereits bei der Zeugnisübergabe 1982 nicht mehr persönlich dabei, denn zu diesem Termin hatte ich mir erhofft, mein Heftchen zurückzubekommen, und ich war sehr enttäuscht, dass dem nicht so war.
Nun ist meine Frage: Haben Sie das Comic noch? Und, wenn ja, könnte ich es zurückbekommen? Mir würde auch eine digitale Version genügen, ein Scan als PDF oder in guter Qualität gemachte Handyfotos.
Sofern Sie das Comic nicht mehr haben, würde mich trotzdem interessieren, welchen Weg das Heftchen damals eventuell genommen hat. Haben Sie es vielleicht einem anderen Lehrer gegeben, der es mir geben sollte, das aber nie getan hat? Haben Sie es vielleicht in Ihrem Fach im Lehrerzimmer (gab es solche Fächer?) liegen lassen mit einem Zettel, auf dem “Tobias” stand, und jemand hat das dann etwa weggeworfen? Oder haben Sie es selbst wegen Umzug, Platz oder aus anderen Gründen entsorgt?
Über eine aufklärende Antwort würde ich mich sehr freuen.
Grüße
Tobias …
Die Lehrerin hat mir geantwortet, daß sie das Heft nicht mehr habe, daß sie der Meinung sei, alle Unterlagen ihrem Nachfolger übergeben zu haben, aber nach so vielen Jahren auch nicht mehr genau wisse, wie das damals lief.
Das Comic-Heftchen im A5-Format hatte etwa 15 Seiten und enthielt eine Geschichte zweier Detektive namens Detlef und Paul, die einen Kriminalfall zu lösen hatten. An die genaue Handlung kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Die Qualität meiner Zeichnungen konnte sich sicher mit denen in Micky-Maus-Heften messen. Ich hatte einiges an Zeit aufgewendet, die Bilder farbig mit Filzstift auszumalen, die Sprechblasen zu beschriften und natürlich die Handlung zu entwerfen. Als das Comic endlich fertig war, nahm ich es mit zur Schule, um es meinen Mitschülern zu geben, damit sie es läsen, es bewerteten und Kritik äußerten. Das Interesse war groß, und der erste, der es zum Lesen bekam, war so fasziniert davon, daß er, nachdem das Klingelzeichen ertönt war, unbedingt weiterlesen mußte, heimlich unter dem Tisch.
Mein Comic hat nie jemand vollständig gelesen, außer vielleicht meine Klassenlehrerin, das weiß ich nicht, das hat sie in ihrer Antwort auf meine Mail nicht verraten.
Damals hatte ich den Gedanken, vielleicht einmal Karikaturist, Comic-Zeichner oder etwas in der Art zu werden. Das bin ich nicht geworden, wobei der Verlust des Comics sicher nicht die Ursache dafür war und falls doch, dann müßte ich den Verlust des Comics vielleicht sogar als eine glückliche Fügung des Schicksals betrachten.
Ich habe soeben einmal Paul gezeichnet mit einem Patronenfüller auf Papier, so wie ich den Detektiv in meinem Comic damals gezeichnet habe. Für die Zeichnung habe ich etwa 20 Sekunden gebraucht. Die Zeichnung ist bei Weitem nicht so akkurat wie ich damals gezeichnet habe, aber, ich würde trotzdem sagen: Ich kann es noch einigermaßen, ich hab es nicht verlernt.
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