Am Tage, nach dem Trump zum ersten Mal die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hatte im Jahre 2016, sagte die Frau an der Kasse der TU-Kantine zu mir, als ich mein Mittagessen zahlen wollte: “Ist das nicht schlimm?”, und ich sagte: “Äh, was? Wie?”, und sie sagte: “Na, daß Donald Trump Präsident in Amerika ist.”
Bis dahin hatte die Frau noch nie etwas anderes zu mir gesagt, als den Preis, den ich für mein Essen zahlen sollte, und manchmal hatte sie gefragt, ob ich TU-Mitarbeiter sei, was ich stets bejahte, obwohl es nicht stimmte. Genau genommen hatte ich dabei nicht gelogen, denn sie hatte immer gefragt, ob ich ein Mitarbeiter sei, sie meinte natürlich einen TU-Mitarbeiter, denn Mitarbeiter der TU-Berlin mußten weniger zahlen, aber die Frage, ob ich ein Mitarbeiter sei, konnte ich im Prinzip bejahen, denn ich war ein Mitarbeiter, zwar kein Mitarbeiter der TU, aber ein Mitarbeiter der privaten Hochschule nebenan. Somit hätte ich sogar die Frage, ob ich Hochschulmitarbeiter oder Mitarbeiter der Universität sei, mit Ja beantworten können, und nun hatte die Frau mich etwas völlig anderes gefragt, nämlilch ob es nicht schlimm sei, daß Trump Präsident der USA geworden worden war.
Ich wußte nicht recht, was ich antworten sollte, ich sagte etwas wie “Ja, schlimm. Müssen wir mal sehen, wie es weiter geht. Ich weiß es auch nicht” und bezahlte mein Essen.
In den Nachrichten hieß es, Trump sei das Ende der Demokratie, er sei fast wie Hitler, Trump sei irre, fürchterlich, wenn solch einem Menschen das mächtigste Amt der Welt zufalle und dieser auch noch den Finger am Atomraketenknopf habe. Das bedrückte sicherlich die Frau in der TU-Kantine und natürlich auch mich.
Im Amt quasselte Trump dann viel Blödsinn, strich der NASA die Gelder für die Überwachung des Klimas. Hat er eigentlich eine Mauer an der Grenze zu Mexiko gebaut oder zumindest damit angefangen? Ich weiß das gar nicht. Atomraketen hat er in seiner ersten Amtszeit nicht gestartet, dafür kam Corona, und mitten im Hoch der Pandemie Ende 2020 sollte Trump wieder abgewählt werden.
Dadurch hatte ich leider eine Freundin auf Facebook verloren. Nach einer Lesung hatte ich sie kennengelernt, sie hatte ein Buch von mir gekauft, wir hatten ein paar Worte über dies und das geplaudert, ein Bier, und irgendwann später bekam ich die Freundschaftsanfrage, der ich zustimmte. Zu Corona-Zeiten wurde ihre Timeline dann fast zu meiner Liebliengstimeline. Die Frau war sich nicht zu schade, den größten Quatsch über Corona und die absurdesten Verschwörungstheorien zu teilen. Mindestens einmal pro Woche las ich mir ihre Posts begeistert durch, von denen viele schnell weg zensiert wurden, und einmal veröffentlichte sie eine Karte Italiens mit eingezeichneten 5G-Sendemasten, wo sich eine besonders hohe 5G-Dichte in den Gebieten zeigte, in denen Corona zuerst ausgebrochen war. Ich schrieb einen Kommentar, daß der 5G-Ausbau in Italien an manchen Stellen offensichtlich noch zu wünschen übrig lasse, woraufhin die 5G-Hasserin mich blockierte, allerdings nur für 30 Tage, es gibt wohl bei Facebook die Möglichkeit jemanden für 30 Tage zu blockieren, ich konnte also ihre Timeline nicht mehr lesen, ich war auf Entzug und höchst erfreut, als sie nach 30 Tagen wieder auftauchte. Im Sommer 2020 war die Frau Q‑Anon-Anhängerin geworden, sie wurde Trump-Verfechterin und ihre Posts immer abstruser.
Am Tage, nach dem Joe Biden zum ersten Mal die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hatte im Jahre 2020, Trump also abgewählt war, hatte sich ein Arbeitskollege von mir Urlaub genommen und die Freundin auf Facebook mich für immer blockert, entfreundet, weil ich ein Bild geteilt hatte, auf dem die Freiheitsstatue hinter einem Stein versteckt vorsichtig hervorlugt und fragt: “Ist er weg?”
Der Arbeitskollege hatte den Urlaubstag genommen, weil er die Nacht zuvor durch die Auszählung der Wahlergebnisse verfolgen wollte. Ich stellte mir vor, daß er die ganze Nacht Biden angefeuert und ihm damit zum Sieg verholfen hatte.
Nun ist Trump zum zweiten Mal Präsident geworden, und an jenem Tag, dem Tag nach der Wahl ist nichts besonderes passiert. Keiner hat mich gefragt: “Ist das nicht schlimm?”, und auf Facebook hat mich auch niemand entfreundet, wobei ich das nicht genau weiß, weil ich Facebook eigentlich gar nicht mehr benutze.
Dafür hat mit dem Trump-Sieg der Bitcoin ein neues Allzeithoch erreicht und die Volkswagen-Aktie ein neues Tief – kein Allzeittief, aber ein Tief, und die Ampel löst sich auf.
1 Kommentar
Ahne
Trump ist Präsident geworden? Mist!
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